Samstag, 12. Dezember 2015

Hot Chocolate - Lisa & Dan [Leseprobe] Charlotte Taylor


Das war allerdings eine Überraschung! Lisa musterte verblüfft den blonden Hünen, den sie vor wenigen Stunden noch im Fernsehen gesehen hatte. Sie fing sich jedoch gleich wieder, schüttelte seine Hand und sagte dann: »Das Geheimnis ist also gelüftet. Der Bad Boy der NBA hat sich von Dallas nach L. A. geflüchtet und sucht Unterschlupf bei der lieben Cousine.«
Ava sah sie fragend an und Daniel King rollte eindeutig genervt mit den Augen, was Lisa schön erkennen konnte, denn er hatte soeben seine verspiegelte Sonnenbrille abgenommen.
»War heute Morgen groß im Sportkanal«, erläuterte sie hilfsbereit. »Die Nation spekuliert hitzig über den rätselhaften Abgang des verletzten Forward. Aber keine Sorge, die Mavericks haben eine Vertragsauflösung dementiert.«
»Bitte?« Ava blickte ratlos zwischen ihrer Mitbewohnerin und ihrem Cousin hin und her, die sich gegenseitig provozierend anfunkelten. Hatte sie etwas verpasst? Soweit sie wusste, kannten sich die beiden nicht. »Dan ist hier, weil er in zwei Wochen die Platten aus seiner zertrümmerten Schulter rausoperiert bekommt. Er bekommt hier eine spezielle präoperative Behandlung, die für eine schnelle Regeneration des Gewebes nach dem Eingriff sorgen soll und ...«
»Und außerdem ist er hier vor den aufdringlichen Reportern in Dallas geschützt, die ihn mit aufdringlichen Fragen zu seinen Sex-Skandalen nerven«, ergänzte Lisa mit maliziösem Grinsen.
»Das ist doch alles Schnee von gestern«, verteidigte Ava ihren Cousin. »Dan ist jedenfalls nicht hier, um sich von meinen Freundinnen schwach anreden zu lassen. Ich habe ihm gesagt, dass ihr alle nett seid.«
»Nett? Also, ich habe ja schon vieles über mich gehört, aber nett war eindeutig keines der beschreibenden Adjektive.« Sie verzog mit gespielter Empörung das Gesicht.
»Das glaube ich sofort«, murmelte Dan. »Du hörst bestimmt immer nur ›bösartige Bitch‹!«
»Was ist los mit euch?« Ava war inzwischen komplett irritiert. »Kennt ihr euch etwa?«
»Ganz sicher nicht.« Lisa ließ ihre weißen Zähne blitzen – war es ein Fletschen oder ein Grinsen? »Ich verkehre nicht mit weißen, reichen Schleimscheißern, die meinen, ihnen gehört die Welt!«
»Lisa!«, rief Ava fassungslos. »Was ist los mit dir? Er hat dir nichts getan! Es gibt also keinen Grund, derart aggressiv zu sein.«
»Irgendwann muss auch er lernen, dass ihm nicht die ganze Welt Gold in den Arsch bläst.« Lisa zuckte mit den Schultern. »Willkommen in der Realität, Big King!« Sie betonte seinen Spielerspitznamen besonders höhnisch und ließ ihre Augen an seinem tatsächlich sehr langen Körper hinabgleiten.
»Bist du fertig?«, wollte Dan wissen. In seinem markanten Gesicht zuckte ein Muskel. Aus unterdrückter Wut? »Die schwarze Jeanne d’Arc ... Sieht aus wie die junge Grace Jones, ist selbstgerecht wie Barack Obama und hat doch nicht die geringste Ahnung, wovon sie spricht. Im Übrigen könnte ich dich wegen Rassismus anzeigen.«
»Was? Du spinnst doch!« Lisa lachte laut auf.
»Ich finde ›weißer, reicher Schleimscheißer‹ ist ziemlich rassistisch. Das ist in meinen Ohren das Äquivalent zu, lass mich nachdenken.« Dan kratzte sich scheinbar nachdenklich am Kopf. »Untervögeltes schwarzes Miststück!«, ergänzte er mit einem triumphierenden Grinsen.
»Was fällt dir ein?«, schnaubte Lisa. Bisher war es ein amüsantes Spiel gewesen, den ungebetenen Gast zu ärgern, der ihr ein mögliches Schäferstündchen mit der leckeren Kate vereitelt hatte. Jetzt war sie richtig wütend. Am liebsten würde sie ihm auf der Stelle neue Gesichtszüge verpassen. Für sie als versierte Martial-Arts-Kämpferin wäre das kein Problem, auch wenn ihr Gegner gut dreißig Zentimeter größer und mindestens vierzig Kilo schwerer war.
»Hört auf damit!«, brüllte Ava, stellte sich zwischen die beiden und legte den Kontrahenten jeweils eine Hand auf die Brust. Als die Körperspannung von Lisa merklich nachließ und auch Dan hörbar ausatmete, sagte sie im gleichen ruhigen Tonfall, den sie sonst nur bei besonders aufgeregten Patienten anschlug: »So, ihr zwei. Wir vergessen jetzt alles, was in den letzten fünf Minuten passiert ist, und fangen noch einmal von vorne an. Einverstanden?« Sie wertete das unbeteiligte Schulterzucken ihres Cousins und das unmerkliche Nicken ihrer Mitbewohnerin als Einverständnis. »Hallo, Lisa, darf ich dir meinen Cousin Daniel vorstellen? Er wird ein paar Tage in der Stadt sein, um sich auf seine bevorstehende OP vorzubereiten, und ich habe ihm versprochen, dass wir ab und zu gemeinsam etwas unternehmen. Wenn du dazu keine Lust hast, musst du selbstverständlich nicht mitkommen. Okay?« Sie sah Lisa eindringlich an, die offenbar gerade noch in den letzten Zügen eines einsamen inneren Kampfes lag.
»Kein Problem«, entgegnete sie schließlich mit völlig normaler Stimme. »Schön, dich kennenzulernen, Dan.« Sie reichte ihm versöhnlich die Hand.
»Dan, das ist meine Mitbewohnerin Lisa Benton. Sie steht kurz vor ihrem Informatik-Abschluss an der Uni und ist schon heute eine der gefragtesten Hackerinnen der Szene. Erst gestern war sie bei einem supergeheimen Auftrag. Sie kann Dinge über jeden von uns herausfinden, die wirklich wehtun, also lege dich nicht mit ihr an. Aber ihr sprödes Gebaren täuscht, tief in ihr schlummert ein zuckersüßer Kern aus feinstem Karamell.« Ava lächelte schief.
»Du hast einen Knall«, grummelte Lisa, musste dann aber doch ein wenig lächeln.
»Da bin ich ja mal gespannt, ob ich davon kosten darf ...« Dans Augen blitzten vergnügt. »Sorry, Cousinchen, aber die Vorlage war einfach zu schön.« Er sah beide Frauen mit einem so treuen Hundeblick an, dass davon selbst Henry noch etwas lernen könnte.
Lisa fiel auf, dass er richtig dunkle, braune Augen hatte. Ungewöhnlich für blonde Menschen. Aber durchaus nicht unattraktiv. Und dieser Blick berührte sie tief drinnen – fast schon am Karamell, wie Ava es so unangemessen formuliert hatte. Sie lachte leise und sagte dann fast schon bewundernd: »Du bist wirklich gut, Big King! Langsam verstehe ich, wie du dir deinen Ruf aufbauen konntest.«
»Nicht schon wieder!«, bat Ava.
»Keine Sorge, Cousinchen«, beruhigte sie Dan. »Grace und ich spielen in derselben Liga!«

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen