Samstag, 12. Dezember 2015

Hot Chocolate - Fay & Enrico [Leseprobe] Charlotte Taylor


»Was willst du von Frankie?«, blaffte einer der drei stiernackigen Glatzköpfe Enrico an und packte ihn noch eine Spur fester am Kragen.
Enrico keuchte. Er bekam kaum noch Luft und auch das Denken
fiel ihm von Sekunde zu Sekunde schwerer. Jetzt bloß nichts Falsches sagen. »Ich will gar nichts von ihm«, krächzte er, doch es klang wohl nicht überzeugend genug, denn der Druck an seinem Hals verstärkte sich eher noch.
»Ich will wirklich nichts – ich sollte ihm nur etwas geben.« Enrico versuchte, mit einer Hand aus der Innentasche seines Jacketts etwas herauszuholen – wohl wissend, dass der Zettel, den ihm Aldo zu Hause gegeben hatte, dort nicht mehr war. Er kam jedoch noch nicht einmal in die Nähe, schon riss ihm ein zweiter Glatzkopf den Arm auf den Rücken. »Aua«, schrie er unwillkürlich auf.
»Keine Spielchen!«, brüllte Stiernacken Nummer zwei, und Nummer eins drückte noch fester zu.
Enrico schwanden fast die Sinne. Er merkte, wie sich Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten, sein Hemd war ohnehin schon völlig durchnässt. »Luft!«, japste er verzweifelt. Er wollte nicht sterben. Nicht hier in dieser riesigen Stadt, fern von seiner Familie – und vor allem ohne nachvollziehbaren Grund. Wie hatte er es nur geschafft, sich mal wieder in eine derart verfahrene Situation zu manövrieren? »Luft!! Bitte.« Er war selbst erschrocken, wie röchelnd er klang.
»Bring ihn nicht um«, schnauzte Glatzkopf zwei den ersten an. »Tot nützt er uns im Moment gar nichts. Erst brauchen wir die Information.«
Der erste Schläger schien lange zu brauchen, um diesen Hinweis zu verarbeiten. Ganz offensichtlich standen Körpergröße und Gewaltbereitschaft in einem höchst ungünstigen Verhältnis zu seiner Intelligenz. Schließlich lockerte er seinen Griff, und Enrico schnappte nach Luft. »Und jetzt raus mit der Sprache: Was wolltest du Frankie geben und von wem?«
Enrico holte ein paarmal tief Luft. Zeit gewinnen. »Der Cousin der Schwägerin meines Bruders hat mir einen Zettel gegeben und gesagt, ich solle nach Los Angeles fliegen und ihn an Francesco Gallo übergeben. Mehr weiß ich nicht.« Das war tatsächlich fast die Wahrheit. Dass ihn Aldo sehr überzeugend »gebeten« hatte, nach L. A. zu fliegen, um ihm »einen großen Gefallen« zu tun, musste dieser Prügeltrupp mit den Spatzenhirnen ja nicht erfahren. Und er hatte tatsächlich keinen Schimmer, worum es bei der kryptischen Botschaft ging, wer oder was dieser Francesco war und was er damit zu tun gedachte – und schon gar nicht, welche Konsequenzen eine Kalifornienreise für ihn haben könnte. Enrico hatte wirklich geglaubt, dass er sich mit diesem Freundschaftsdienst ein paar entspannte freie Tage machen konnte. Tage, an denen er einmal nicht an sein Geschäft oder seine Familie denken musste. Einfach nur er selbst. »Was ist?«, fragte er verwundert. Der Glatzkopf hatte ihn mit einem rüden Rempler aus seinen Gedanken gerissen und hielt jetzt auffordernd seine Hand vor ihn hin.
»Gib mir den Zettel!«, schnauzte er.
Das war ein Problem. Der Zettel war nämlich verschwunden. Gestern hatte ihm eine Möwe auf das Sakko gekackt und Enrico hatte den Anzug über Nacht im Hotel reinigen lassen. Als er ihn am Morgen wiederbekommen hatte, war die Nachricht verschwunden gewesen. Er hatte sich nicht allzu viel dabei gedacht, sondern wollte die Botschaft mündlich überbringen. Hätte er besser mal einen neuen Zettel geschrieben, dachte er jetzt bei sich. Auf diese Idee war er bis eben nicht gekommen. Zu spät ... »Äh ...«, druckste er herum.
»Was ist?«
»Dafür bräuchte ich meine Hand.« Der zweite Schläger hatte seine Arme immer noch am Rücken fixiert.
»Lass ihn los!«, befahl der erste.
Befreit dachte Enrico kurz an Flucht, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder, denn gegen drei gewaltbereite, tumbe Hünen hatte er keine Chance, blauer Gürtel in Karate hin oder her. Und außerdem hatte er keine Ahnung, wo er überhaupt war. Als er am vereinbarten Treffpunkt angekommen war, hatten ihn die drei Muskel-Tiere kommentarlos gepackt, ihn in ein Auto verfrachtet und während der Fahrt geknebelt und ihm die Augen verbunden. Im Moment befanden sie sich in einem Raum, der wie ein Keller aussah und entsprechend muffig roch. Immerhin war von der Straße draußen lebhaftes Stimmengewirr zu hören – dann war es wohl kein vollkommen gottverlassener Ort.
Vorsichtig tastete er nun in seinen Taschen. Der Originalzettel war natürlich weg, aber er hatte einen Kugelschreiber und sein Parkticket. Unter den ungläubigen Blicken seiner Entführer schrieb er drei Worte darauf: »Stracciatella – Nocciola – Cassis«. Dann reichte er das Parkticket dem dritten Glatzenträger, der sich bislang im Hintergrund gehalten hatte. Instinktiv ahnte Enrico, dass er der Kurier für den ominösen Frankie oder Francesco sein musste. »Hier, zeig das deinem Meister. Ich gehe davon aus, dass er weiß, was das zu bedeuten hat.« Das hoffte er inständig – und auch, dass er die Reihenfolge richtig im Kopf hatte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen