Leseprobe:
Das Knacken eines Astes brach die Stille. Helea schrak hoch. Durch die Schneedecke gelang es kleinen Tieren keinesfalls, Äste zu zerbrechen - es musste ein Bär sein! Doch nicht: Bären tragen selten Lederbeutel bei sich. Sie kniff die Augen zusammen. War das ...? Kopfschütteln vertrieb das Bild nicht. Seit vielen Sommern kam sie hierher und nie war ihr einer begegnet. Dennoch stand vor ihr ein Waldwandler.
Obwohl der Kerl vermutlich noch nie einen Kamm gesehen hatte, wirkte er bei Weitem nicht so abstoßend, wie es immer hieß. Unter seinem Fellmantel blitzte blanke Haut hervor. Trug er kein Hemd? Sie blinzelte. Wenigstens für eine Wildlederhose reichte sein Anstand.
Aus nachtblauen Augen fixierte er sie und sie entdeckte violette Funken darin. Er zog die Brauen zusammen und sie setzte einige Atemzüge aus, nur um dann nach Luft zu schnappen. Warum wagte sie sich auch ständig an die sagenumwobenen Schattenwälder heran? Obwohl sie niemals einen Fuß hineinsetzte, war sie damit viel zu dicht an der Gefahr. Kurz war sie versucht, hinter ihren Felsen zurückzuweichen. Doch davon ließ sich ein Waldwandler bestimmt nicht abhalten. Sie zog ihren bodenlangen Mantel enger um sich und zwang sich zur Ruhe. Einatmen, ausatmen. Wölfe greifen an, sobald sie Schwäche spüren und das Opfer flüchtet. Galt das auch für andere Waldbewohner?
Er blieb am Waldrand stehen und lehnte, seine Arme lässig über der Brust gekreuzt, an einer Steineiche. Recht bedrohlich wirkte er nicht, auch seine Zähne waren entgegen den Gerüchten nicht schwarz. Abgesehen von seiner Größe, die ihre noch deutlich überschritt, und den wirr abstehenden dunklen Haaren, wirkte er menschlich. Unter seinen Lippen wuchs ein fingerbreiter Streifen eines ebenso dunklen Bartes, der wie bei einem Ziegenbock spitz zulief.
Nun gab er seine Position auf und kam auf sie zu.
»Bleib mir vom Leib!«, stieß sie hervor.
Seine Miene verfinsterte sich. »Sonst?«
Helea presste die Lippen aufeinander und versteckte sich hinter ihrer dunkelbraunen Mähne. Sie konnte dem Wilden schlecht drohen, dazu war sie kaum einschüchternd genug.
»Seit wann wagt ihr Städter euch überhaupt zum Wald?«
Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe. »Seit wann«, konterte sie, »wagt ihr euch heraus?«
Sein Mundwinkel zuckte. »Dann fallen wir eben beide aus der Reihe. Ausgezeichnet: Ich hab mir stets einen Kuss von einer verlockenden Städterin gewünscht!«
Helea schnappte nach Luft. Hatte er das tatsächlich gesagt? Sie war fraglos feuerrot!
»Schenkst du mir einen?« Seine Stimme war rau und kehlig.
»Ganz gewiss nicht!«
»Du wirst mir ohnehin verfallen, Widerstand ist zwecklos.« Lachend hob er die Brauen.
»Dein Versuch mich zu umgarnen ebenso!« Sie funkelte den unverschämten Kerl an, aber dieser gab sein Grinsen nicht auf. Bei solch hinterwäldlerischem Verhalten wunderte sie der Ruf der Waldwandler nicht im Geringsten!
Das Knacken eines Astes brach die Stille. Helea schrak hoch. Durch die Schneedecke gelang es kleinen Tieren keinesfalls, Äste zu zerbrechen - es musste ein Bär sein! Doch nicht: Bären tragen selten Lederbeutel bei sich. Sie kniff die Augen zusammen. War das ...? Kopfschütteln vertrieb das Bild nicht. Seit vielen Sommern kam sie hierher und nie war ihr einer begegnet. Dennoch stand vor ihr ein Waldwandler.
Obwohl der Kerl vermutlich noch nie einen Kamm gesehen hatte, wirkte er bei Weitem nicht so abstoßend, wie es immer hieß. Unter seinem Fellmantel blitzte blanke Haut hervor. Trug er kein Hemd? Sie blinzelte. Wenigstens für eine Wildlederhose reichte sein Anstand.
Aus nachtblauen Augen fixierte er sie und sie entdeckte violette Funken darin. Er zog die Brauen zusammen und sie setzte einige Atemzüge aus, nur um dann nach Luft zu schnappen. Warum wagte sie sich auch ständig an die sagenumwobenen Schattenwälder heran? Obwohl sie niemals einen Fuß hineinsetzte, war sie damit viel zu dicht an der Gefahr. Kurz war sie versucht, hinter ihren Felsen zurückzuweichen. Doch davon ließ sich ein Waldwandler bestimmt nicht abhalten. Sie zog ihren bodenlangen Mantel enger um sich und zwang sich zur Ruhe. Einatmen, ausatmen. Wölfe greifen an, sobald sie Schwäche spüren und das Opfer flüchtet. Galt das auch für andere Waldbewohner?
Er blieb am Waldrand stehen und lehnte, seine Arme lässig über der Brust gekreuzt, an einer Steineiche. Recht bedrohlich wirkte er nicht, auch seine Zähne waren entgegen den Gerüchten nicht schwarz. Abgesehen von seiner Größe, die ihre noch deutlich überschritt, und den wirr abstehenden dunklen Haaren, wirkte er menschlich. Unter seinen Lippen wuchs ein fingerbreiter Streifen eines ebenso dunklen Bartes, der wie bei einem Ziegenbock spitz zulief.
Nun gab er seine Position auf und kam auf sie zu.
»Bleib mir vom Leib!«, stieß sie hervor.
Seine Miene verfinsterte sich. »Sonst?«
Helea presste die Lippen aufeinander und versteckte sich hinter ihrer dunkelbraunen Mähne. Sie konnte dem Wilden schlecht drohen, dazu war sie kaum einschüchternd genug.
»Seit wann wagt ihr Städter euch überhaupt zum Wald?«
Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe. »Seit wann«, konterte sie, »wagt ihr euch heraus?«
Sein Mundwinkel zuckte. »Dann fallen wir eben beide aus der Reihe. Ausgezeichnet: Ich hab mir stets einen Kuss von einer verlockenden Städterin gewünscht!«
Helea schnappte nach Luft. Hatte er das tatsächlich gesagt? Sie war fraglos feuerrot!
»Schenkst du mir einen?« Seine Stimme war rau und kehlig.
»Ganz gewiss nicht!«
»Du wirst mir ohnehin verfallen, Widerstand ist zwecklos.« Lachend hob er die Brauen.
»Dein Versuch mich zu umgarnen ebenso!« Sie funkelte den unverschämten Kerl an, aber dieser gab sein Grinsen nicht auf. Bei solch hinterwäldlerischem Verhalten wunderte sie der Ruf der Waldwandler nicht im Geringsten!
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